Nürtinger Zeitung - 06.05.2008
Die Violinsolistin war gerade mal elf Jahre alt
Der Orchesterverein Stuttgart musizierte in der Rudolf-Steiner-Schule Werke von Haydn, Beethoven und Mendelssohn
NÜRTINGEN. Der Orchesterverein Stuttgart ist für die Landeshauptstadt das, was das Nürtinger Kammerorchester für Nürtingen ist. Fritz Roth sagte es, und er muss es wissen. Er hat viele Jahre das Nürtinger Kammerorchester dirigiert, und heute ist er musikalischer Leiter des Stuttgarter Orchestervereins. Was das bedeutet, erfuhren die Besucher beim Konzert des Orchestervereins am Sonntag in der Rudolf-Steiner-Schule.
Das Programm, das der Dirigent zusammengestellt hatte, ließ keine Zweifel an der Gültigkeit der Werke zu. Alles war eindeutig, alles war groß, alles war durch den Säuretest der Jahrhunderte gegangen. Von Haydn das Cellokonzert in C-Dur, von Mendelssohn das hochmelodische Violinkonzert und von Beethoven das markante Klavierkonzert Nummer 3. Die Einladung der Stuttgarter nach Nürtingen ist dem Cellisten Matthias Fuhrmann zu danken, der an der Oberstufe der Waldorfschule Musik in ihren verschiedenartigen Formen unterrichtet.
Jedem der drei Werke ging eine kurze Einführung voraus. Das C-Dur-Cellokonzert von Haydn war lange verschollen. Aus dem Werkverzeichnis wusste man zwar, dass es existierte, aber die Noten waren unauffindbar. Der Zufallsfund vor wenigen Jahren stellte eine Bereicherung der eher schmalen Cello-Literatur dar. Nicht zuletzt zeigt das Werk, dass Haydn, der im Haus Esterhazy angestellt war, bereits zu seiner Zeit über ein gutes Orchester verfügte.
Das ins Programm der Nürtinger Veranstaltung gehobene Cellokonzert hat vielleicht nicht die weit geschwungenen Kantilenen des von Anfang an in den Konzertsälen zu hörenden anderen Cellokonzerts von Haydn, aber es ist gleichwohl ein Werk von bemerkenswerter Frische und Ursprünglichkeit. Matthias Fuhrmann, in Brasilien geboren und ausgebildet, ehe er mit seiner Familie nach Deutschland zog, realisierte den Solopart mit männlich-energischer Bogenführung und bewältigte mit vehementer Eleganz die vielfach enormen Tempi und die vor allem im Schlusssatz auftauchenden vertrackten Figuren. Einerseits geht er sparsam mit dem Vibrato um, andererseits steht das Vibrato für ihn nicht auf der Verbotsliste für Werke der frühen Klassik.
Fritz Roth ist als Dirigent ein Gentleman. Mit seiner unaufgeregten und gleichzeitig zielgerichteten Gestik räumt er den Solisten durchgehend den Vortritt vor dem Orchester ein. Er hat die Dirigiererfahrungen vieler Jahrzehnte in sich aufgesogen. Seine Hinweise sind präzise und unmissverständlich. Bei zügigen Tempi verlieh er etwa dem langsamen Satz des Cellokonzerts den Zauber eines zarten Verströmens. Seine Palette klanglicher Abtönungen entbehrt weder der Frische der Empfindung noch der stilistischen Vielfalt.
Die Violinkonzerte von Beethoven, Brahms und Mendelssohn sind die großen drei des klassisch-romantischen Repertoires. Mendelssohns Werk, das den Mittelteil des Programms bildete, ist ein Stück reiner, zu Klang gewordener Romantik. Den Solopart spielte die erst elf Jahre alte Paulina Krauter. Selbst Fritz Roth hat noch nie mit einer so jungen Solistin musiziert. Schon mit fünf Jahren erhielt sie von ihrem Vater den ersten Violinunterricht. Wie sie die Bühne betrat, erinnerte ein bisschen an den kleinen Mozart, von dem Goethe noch in späteren Jahren das Bild vor sich hatte, wie der kleine Mann mit Perücke und Zierdegen an der Seite zum Instrument schritt. In manchen Passagen vielleicht noch etwas spröde, exekutierte Paulina Krauter mit staunenswerter Sicherheit und vollem, sattem Ton vor allem in den tieferen Lagen selbst die zuweilen schwindelnd hohen Töne des Mendelssohn-Konzerts. Instrumentaltechnisch demonstrierte sie bereits eine erstaunliche Reife. Es wird interessant sein, ihre weitere Entwicklung zu verfolgen.
In ein musikalisches Drama verwandelte Sachiko Ushikubo Beethovens Klavierkonzert Nummer 3, mit dem die Veranstaltung ihr Ende fand. Die Japanerin steht kurz vor ihrer letzten Prüfung der musikalischen Reife, die sie nach dem Urteil von Fritz Roth mit Glanz bestehen wird. Beethovens entschieden in die Partitur gestanzte Musik duldet kein Deuteln, schon gar keine Widerrede. Wie die Solistin etwa zum gedämpften Klang der Pauken mit vollen Händen der perlenden Eleganz der rauschenden Läufe Klang und Kontur gab, ist nicht jeden Tag zu hören. Mit eminenter Spielfreude und Sicherheit im Anschlag stürmte sie im Schlusssatz dem wirbelnden Finale entgegen. So kann man ein Publikum (das Konzert war leider nicht ganz ausverkauft) mitreißen.
Rauschender Beifall setzte den Schlusspunkt unter das Konzert eines Orchesters, das nur zum kleinsten Teil aus Profis besteht. Umso höher ist die Leistung der insgesamt überzeugenden Gruppierung einzuschätzen. Es gab Blumen, mehrere Vorhänge und eine Zuhörerschaft, die von Programm und Realisierung sichtlich angetan war.
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Eintrittspreise:
Für die Konzerte im Beethovensaal der Liederhalle Stuttgart
35€, 28€, 20€, 12€, SchülerInnen und Studierende die Hälfte
Für die Konzerte im Turmsaal der Musikhochschule Stuttgart
20€ (unnummerierte Plätze) ermäßigt 10€